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Über den Trauerfall (1)
Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Johanna Schwarz, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.
Von Dr. Lothar Riemenschneider, Berlin
17.09.2009 um 15:48 Uhr von GastVon meiner Mutter, Johanna Schwarz, schilderte der Arzt insbesondere, sie sei "mit bewundernswerter Disziplin" in alle Therapien hineingegangen, und die Mitarbeiter der Palliativstation sagten, es wäre schön wenn alle Patienten so "angenehm" seien und ihr Schicksal so mutig und bescheiden annehmen könnten.
Aber uns hat sie auch den Eindruck eines besseren Zustands erweckt als sie hatte, und manchmal denke ich, es wäre befreiender gewesen wenn sie das nicht getan hätte.
Und doch habe ich durch meine Mutter letztlich etwas anderes erfahren als die "Kämpferin", die sie Zeit ihres Lebens war, oder sein mußte; es war, so der Pfarrer, der ihr die letzte Ölung gab, nun doch am Ende eine Wandlung in ihr geschehen ... sie hatte ihr kämpferisches "Selbst" verlassen - oder ihm eine andere Aufgabe gegeben: das Ende friedvoll anzunehmen; einen Frieden, den sie meist vergebens gesucht hatte.
Sie starb vor gut einem Jahr,an einem Samstagnachmittag, dem 23. August 2008, nach mehr als einem langen Jahr voller Kampf, dreier Chemotherapien, auf die ihr Körper von Anfang an wenig ansprach, aber denen sie sich tapfer stellte.
Geboren am Tag des Reichstagsbrands, entkam sie mitten in ihrer vielversprechenden Schullaufbahn mit 12 aus Schlesien, und fand als "Flüchtlingsmädel" wg. mangelnder Unterstützung ihrer Mutter - ihr Vater war im Krieg gefallen -, die sie nicht mehr auf das Gymnasium gab, keinen angemessenen Anschluß.
Mein älterer Bruder wurde unehelich geboren, die Ehe war unglücklich; meine Mutter "hielt durch", wenigstens konnte sie gegen meinen Vater ihre Berufstätigkeit erkämpfen.
Nachdem ich mit 19 aus dem Haus ging, konnte sie sich endlich entschließen, meinen Vater zu verlassen, Versäumtes nachzuholen, ein wenig Abenteuer und Glück zu finden.
Drei Menschen hat sie bis zum Tode gepflegt - ihre zweite Schwiegermutter, ihre eigene Mutter - von der sie nie geliebt worden zu sein schien -, und ihren zweiten Mann.
Nachdem dieser starb, hatte sie sich noch auf "ein paar schöne Jahre" gefreut, aber der Krebs verhinderte das - oder, sie war einfach müde.
Nein, vieles scheint "nicht gelungen" an ihrem Leben, vieles scheint schief und krumm, aber sie hat es angenommen, alles was schwer war und nicht glamourös und was nicht "befriedigend" abschließend gefeiert werden zu können schien.
Immer hat sie gekämpft, wollte festhalten, alles versuchen, und konnte vielleicht gerade dann erkennen wann es Zeit war, loszulassen, und der Veränderung Raum zu geben, das "Selbst" neu zu sehen ...
Und so war auch ihr letztes Jahr voller Kampf - aber der Pfarrer, der ihr die letzte Segnung gab, sagte, er habe selten einen Menschen erlebt, der so bewußt, so klar und entschieden bei aller Demut sein Ende angenommen, und abgeschlossen habe; auch hier hat sie ihr "Selbst" nicht "gerettet", sie hat es "aktiv hinübergehen lassen" in etwas Neues, das mehr ist als die Welt bieten kann.
Sie hat nie so gelebt, daß sie billigen Trost brauchte - aber auch nicht so, daß sie sich vor einer Ahnung schützen wollte oder mußte, daß das "Selbst", das sie dabei behauptete und entwickelte, und die Ziele, die sie erreichen wollte, nicht billig sein könnten, also nicht Irrtümern erliegend wie, das Leben anzunehmen und, zu "glauben" - besser: der Erkenntnis Raum zu lassen -, seien nicht vereinbar.
Sie hatte nie Angst vor einer Sehnsucht, die Mehr meint als "das Leben", und die auch "weniger" annehmen kann.
Das alles wurde mir bewußt, während ich sie im Sterben begleitete, und danach; so wird es ihrer Liebe, die sich nie wirklich zu erfüllen schien, vielleicht möglich, in mich überzugehen.